Täuschend ähnlich – die Goldkette von Isenbüttel

Als ich am 16. Juli 2021 die Tageszeitung aufschlug, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen: “Museum zeigt neue Replik der Goldenen Kette von Isenbüttel”.

Das Schlossmuseum in Gifhorn stellt wieder eine Nachbildung der “Goldkette von Isenbüttel” aus. Jahrelang konnte man nur ein Bild der Kette bewundern, denn die in den 60er Jahren von einem Hanauer Goldschmied angefertigte Nachbildung der Kette wurde in den 80er Jahren aus dem Museum gestohlen.

Gestern habe ich die “Die Goldkette von Isenbüttel” im Gifhorner Schlossmuseum besucht.

Das Wichtigste zuerst: Obwohl sie aus Kupfer gefertigt und mit Ölfarbe koloriert wurde, ist sie wunderschön und vom Original kaum zu unterscheiden,

Museumsleiterin Birthe LehnbergIm Foyer des Schlossmuseums traf ich Birthe Lehnberg, die Museumsleiterin. Sie nahm sich die Zeit mir allerhand Spannendes über die Kette zu berichten:

Seitdem die ursprüngliche Nachbildung der Kette aus dem Museum gestohlen wurde, bestand der Wunsch, eine neue Replik zu beschaffen. Ein Besuch des Museums- und Heimatvereins Gifhorn in der Ausstellung “Saxones” in Braunschweig gab dann den Impuls, das Thema Replik endlich anzugehen. Man nahm  Kontakt mit dem Landesmuseum in Hannover und dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz auf und plötzlich gestaltete sich alles überraschend unkompliziert.

Eine Kette aus filigranem Golddraht gestrickt zu fertigen, diese Handwerkskunst beherrschen heute kaum noch Goldschmiede. Doch durch die Restaurierungswerkstatt im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz wurde es möglich. Das Landesmuseum in Hannover (Heimat der Originalkette) erklärte sich bereit, die Kette für die Anfertigung einer Replik zur Verfügung zu stellen. In geheimer Mission machten sich Frau Lehnberg und ihr Team auf, die Goldene Kette mit dem PKW von Hannover nach Mainz zu bringen. So entstand eine originalgetreue Nachbildung der Goldenen Kette.

“Gold wäre unbezahlbar gewesen”, berichtete Frau Lehnberg, “trotzdem kann man das Original und die Kopie kaum voneinander unterscheiden.

Replik der Goldenen Kette
Isenbütteler Goldene Kette – Replik

 

Isenbütteler Goldene Kette
Isenbütteler Goldene Kette – Original

Die ursprüngliche Länge der Kette betrug etwa 55 cm, heute sind es nur noch ca. 49 cm, denn von den an den Enden befindlichen Tierköpfen fehlt einer. Die Kette wurde aus feinem Golddraht gefertigt, an deren Enden tierkopfförmige Verschlussstücke aus Goldblech angesetzt wurden. Auf der Oberseite sind sowohl der Kopf als auch der Hals der Tierköpfe mit einer Reihe einzelner Granate verziert.

Die Goldene Kette von Isenbüttel wurde 1922 von einem Landarbeiter beim Stubbenroden in Isenbüttel gefunden. Durch den langen Aufenthalt im Sand der Düne war sie ziemlich unansehlich geworden, darum schenkte der Mann die Kette seiner Tochter. Die Tochter reinigte und polierte die Kette, so dass ihr wahres Aussehen zu Tage kam. Und weil die Kette auf dem Grund und Boden des Baron von Campe gefunden wurde, übergab der Mann die Kette dem Gutsherrn und erhielt dafür ein Schwein. Die Kette wurde an einen Fabrikbesitzer in Hamburg verkauft, obwohl schon damals das Museum versuchte, das wertvolle Schmuckstück zu erwerben. Allein es fehlte das Geld. Es folgte eine längere Odyssee durch Kunsthandel und Privatbesitz, bis die Goldene Kette von Isenbüttel dann endlich im Landesmuseum in Hannover landete. Die Kette gilt als eines der bedeutendsten archäologischen Fundstücke in Niedersachen.

Laut Wikipedia gehört die Goldkette zu den anspruchsvollsten Arbeiten frühgeschichtlicher Goldschmiedekunst. Sie gilt als der prächtigste Goldschmuck des 1. Jahrtausends in Niedersachsen und stammt aus der Zeit der Merowinger um 700 n. Chr.. Archäologen rechnen die Kette Angehörigen der europäischen Oberschicht zu. Der Fund lasse darauf schließen, dass bei Isenbüttel wohlhabende Menschen mit weitreichenden Beziehungen ansässig waren, da nur sie ein derart wertvolles Schmuckstück anfertigen lassen konnten.

Die besten Vergleichsfunde stammen aus dem angelsächsischen England. Die Kette wurde übrigens mit Gewandnadeln getragen, mit denen man Schleier oder leichte Überwürfe an den Schultern befestigen konnte.

Dass ich von der Goldenen Kette fasziniert bin, weißt du ja inzwischen. Dass mir zu der Kette etliche Geschichten durch den Kopf tanzen, kannst du dir sicher vorstellen. Bemerkenswert finde ich aber auch, dass es durch die Zusammenarbeit von Schlossmuseum Gifhorn, Museums- und Heimatverein Gifhorn, Landesmuseum Hannover, Römisch-Germanisches Museum Mainz und der Bildungs- und Kultur-GmbH und sicherlich noch vieler anderer Mitwirkenden möglich wurde, dieses wunderschöne Schmuckstück wieder in Gifhorn auszustellen. Ein ganz besonderes Stück Heimatgeschichte.

Und wieder zeigt sich: Wenn Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen gemeinsam an einem Strang ziehen, werden Dinge, die man am Anfang für unmöglich gehalten wurden, möglich.

Ein Besuch im Historischen Museum Schloss Gifhorn lohnt sich – nicht nur wegen der Goldenen Kette.

 

Hier geht es zu meinem Bericht über die Ausstellung “Saxones” in Braunschweig.